SlovoKult ::
Lyrik
Gedichte
Mit freundlicher Genehmigung des Hanser Verlags:
Aus dem Gedichtband "Versetzter Stein", Edition Lyrik Kabinett bei Hanser - Übersetzt von Alexander Sitzmann, 2011.
Es wird uns folgen
Eines Tages wird jemand unsere Wolldecken zusammenlegen
und sie zur chemischen Reinigung schicken,
damit man aus ihnen auch das letzte Körnchen Salz entfernt,
er wird unsere Briefe öffnen und sie chronologisch ordnen
statt danach, wie oft wir sie gelesen haben.
Eines Tages wird jemand die Möbel im Zimmer verschieben
wie Schachfiguren bei der Eröffnung eines neuen Spiels,
er wird den alten Schuhkarton aufmachen, in dem
wir die abgefallenen Knöpfe der Pyjamas aufbewahren,
die halbvollen Batterien und den Hunger.
Eines Tages kehrt der Schmerz in unsere Wirbelsäule zurück,
verursacht durch das Gewicht der Hotelschlüssel und
das Mißtrauen, mit dem man uns an der Rezeption
die Fernbedienung gibt.
Das fremde Mitgefühl wird uns folgen
wie der Mond einem verirrten Kind.
Bevor wir geboren wurden
Die Straßen waren asphaltiert,
bevor wir geboren wurden und
alle Gestirne bereits formiert.
Das Laub faulte am Rand
des Gehsteigs vor sich hin.
Das Silber lief auf der Haut
der Arbeiter schwarz an.
Jemandes Knochen wuchsen
die Länge des Schlafs hinunter.
Europa vereinte sich
bevor wir geboren wurden, und das Haar
eines Mädchens breitete sich ruhig
über die Oberfläche
des Meeres aus.
Die Unsichtbare
Aus mir tritt etwas heraus,
verdichtet wie der Ruß eines soeben verloschenen Feuers,
weit entfernt wie ein gegen die Sonne gespuckter Kirschkern.
Durch den Atem verblaßt mein Gesicht
im Spiegel,
ich bin schwer wie ein Vorhang, der ewig danach strebt,
den Teppich mit den abgewetzten Rändern zu berühren.
Ich träume von dir, ohne davon zu erzählen,
ich verliere an Raum wie eine zerknitterte Flagge
an einem schiefen Fahnenmasten.
Ich kann dich nur durch die Zeit herbeirufen,
weil sie immer weniger Eroberer besitzt,
ich wünschte, du kehrtest mit den Schmetterlingen zurück,
bereit, niemals gesehen zu werden.
Und die Dunkelheit zieht heimlich in sich selbst ein.
Uralt ist der Wunsch nach einer Berührung auf der Stirn,
wenn keiner zusieht.
Die Schatten ziehen an uns vorüber
Eines Tages werden wir einander begegnen,
wie ein Papierschiffchen und eine
Melone, die im Fluß kühlt.
Die Unruhe der Welt wird
mit uns sein. Mit den Handflächen
werden wir die Sonne verdunkeln und
mit Laternen aufeinander zugehen.
Eines Tages wird der Wind
seine Richtung nicht ändern.
Die Birke wird ihr Laub ausstreuen
in unsere Schuhe vor der Schwelle.
Die Wölfe werden den Spuren
unserer Unschuld folgen.
Die Schmetterlinge werden ihren Staub
auf unseren Wangen hinterlassen.
Jeden Morgen wird eine alte Frau
im Wartezimmer von uns erzählen.
Auch was ich hier sage, ist bereits
gesagt: wir warten auf den Wind
wie zwei Flaggen an einem Grenzübergang.
Eines Tages werden alle Schatten
Weitere Gedichte als Leseprope bei Hanser Verlag
_______________________________________________
Wenn jemand weggeht,
kehrt alles Geschaffene zurück
Für Marjan K.
An der Umarmung hinter der Ecke erkennst du
daß jemand irgendwohin weggeht. So ist es immer.
Wir leben zwischen zwei Wahrheiten
wie die Neonleuchte, die im leeren Flur
pendelt. Mein Herz sammelt immer mehr
Menschen, seit es sie nicht mehr gibt.
So ist es immer. Ein Viertel unseres Wachseins
verbringen wir mit Blinzeln. Wir vergessen
Dinge, noch bevor wir sie verlieren –
das Schönschreibheft zum Beispiel.
Nichts ist neu. Der Sitz im Autobus
ist immer warm. Letzte Worte werden
weitergereicht wie schräge Eimer
bei einem gewöhnlichen Sommerbrand.
Morgen wird sich dasselbe wiederholen –
das Gesicht wird, bevor es vom Foto verschwindet,
zuerst die Falten verlieren. Wenn jemand
weggeht, kehrt alles Geschaffene zurück.
Aus dem Makedonischen von Klaus Detlef Olof
Fliegen
Der Nebel hängt über der Stadt
wie der Gottesmutter gesunkener Kopf
auf einem fernen Fresko.
Die Satellitenantennen sprechen
mit den Engeln
wie wird das Wetter morgen:
klar, beständig, bedeutend
wie die roten Daten
des Kalenders.
.
Aber wenn die Nacht die Schatten
mit der Wand vereint,
wirst du dich zu den Ästen davonstehlen
wie ein seltener Vogel
von der Rückseite eines Geldscheins.
Aus dem Makedonischen von Elizabeta Lindner
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Mit freundlicher Genehmigung des Hanser Verlags:
Aus dem Gedichtband "Versetzter Stein", Edition Lyrik Kabinett bei Hanser - Übersetzt von Alexander Sitzmann, 2011.
Es wird uns folgen
Eines Tages wird jemand unsere Wolldecken zusammenlegen
und sie zur chemischen Reinigung schicken,
damit man aus ihnen auch das letzte Körnchen Salz entfernt,
er wird unsere Briefe öffnen und sie chronologisch ordnen
statt danach, wie oft wir sie gelesen haben.
Eines Tages wird jemand die Möbel im Zimmer verschieben
wie Schachfiguren bei der Eröffnung eines neuen Spiels,
er wird den alten Schuhkarton aufmachen, in dem
wir die abgefallenen Knöpfe der Pyjamas aufbewahren,
die halbvollen Batterien und den Hunger.
Eines Tages kehrt der Schmerz in unsere Wirbelsäule zurück,
verursacht durch das Gewicht der Hotelschlüssel und
das Mißtrauen, mit dem man uns an der Rezeption
die Fernbedienung gibt.
Das fremde Mitgefühl wird uns folgen
wie der Mond einem verirrten Kind.
Bevor wir geboren wurden
Die Straßen waren asphaltiert,
bevor wir geboren wurden und
alle Gestirne bereits formiert.
Das Laub faulte am Rand
des Gehsteigs vor sich hin.
Das Silber lief auf der Haut
der Arbeiter schwarz an.
Jemandes Knochen wuchsen
die Länge des Schlafs hinunter.
Europa vereinte sich
bevor wir geboren wurden, und das Haar
eines Mädchens breitete sich ruhig
über die Oberfläche
des Meeres aus.
Die Unsichtbare
Aus mir tritt etwas heraus,
verdichtet wie der Ruß eines soeben verloschenen Feuers,
weit entfernt wie ein gegen die Sonne gespuckter Kirschkern.
Durch den Atem verblaßt mein Gesicht
im Spiegel,
ich bin schwer wie ein Vorhang, der ewig danach strebt,
den Teppich mit den abgewetzten Rändern zu berühren.
Ich träume von dir, ohne davon zu erzählen,
ich verliere an Raum wie eine zerknitterte Flagge
an einem schiefen Fahnenmasten.
Ich kann dich nur durch die Zeit herbeirufen,
weil sie immer weniger Eroberer besitzt,
ich wünschte, du kehrtest mit den Schmetterlingen zurück,
bereit, niemals gesehen zu werden.
Und die Dunkelheit zieht heimlich in sich selbst ein.
Uralt ist der Wunsch nach einer Berührung auf der Stirn,
wenn keiner zusieht.
Die Schatten ziehen an uns vorüber
Eines Tages werden wir einander begegnen,
wie ein Papierschiffchen und eine
Melone, die im Fluß kühlt.
Die Unruhe der Welt wird
mit uns sein. Mit den Handflächen
werden wir die Sonne verdunkeln und
mit Laternen aufeinander zugehen.
Eines Tages wird der Wind
seine Richtung nicht ändern.
Die Birke wird ihr Laub ausstreuen
in unsere Schuhe vor der Schwelle.
Die Wölfe werden den Spuren
unserer Unschuld folgen.
Die Schmetterlinge werden ihren Staub
auf unseren Wangen hinterlassen.
Jeden Morgen wird eine alte Frau
im Wartezimmer von uns erzählen.
Auch was ich hier sage, ist bereits
gesagt: wir warten auf den Wind
wie zwei Flaggen an einem Grenzübergang.
Eines Tages werden alle Schatten
an uns vorüberziehen.
Weitere Gedichte als Leseprope bei Hanser Verlag
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Wenn jemand weggeht,
kehrt alles Geschaffene zurück
Für Marjan K.
An der Umarmung hinter der Ecke erkennst du
daß jemand irgendwohin weggeht. So ist es immer.
Wir leben zwischen zwei Wahrheiten
wie die Neonleuchte, die im leeren Flur
pendelt. Mein Herz sammelt immer mehr
Menschen, seit es sie nicht mehr gibt.
So ist es immer. Ein Viertel unseres Wachseins
verbringen wir mit Blinzeln. Wir vergessen
Dinge, noch bevor wir sie verlieren –
das Schönschreibheft zum Beispiel.
Nichts ist neu. Der Sitz im Autobus
ist immer warm. Letzte Worte werden
weitergereicht wie schräge Eimer
bei einem gewöhnlichen Sommerbrand.
Morgen wird sich dasselbe wiederholen –
das Gesicht wird, bevor es vom Foto verschwindet,
zuerst die Falten verlieren. Wenn jemand
weggeht, kehrt alles Geschaffene zurück.
Aus dem Makedonischen von Klaus Detlef Olof
Fliegen
Der Nebel hängt über der Stadt
wie der Gottesmutter gesunkener Kopf
auf einem fernen Fresko.
Die Satellitenantennen sprechen
mit den Engeln
wie wird das Wetter morgen:
klar, beständig, bedeutend
wie die roten Daten
des Kalenders.
.
Aber wenn die Nacht die Schatten
mit der Wand vereint,
wirst du dich zu den Ästen davonstehlen
wie ein seltener Vogel
von der Rückseite eines Geldscheins.
Aus dem Makedonischen von Elizabeta Lindner
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