SlovoKult ::
Spezial
SlovoKult: Der Balkan ist eine große Inspiration für dich, was deinen Texten anzumerken ist. Was ist das am Balkan, das dich fasziniert, und wie verändert er sich? 
Dukovski: Ich verehre den Balkan mit allen seinen positiven und negativen Seiten, woraus auch die Tatsache resultierte, dass ich mich durch die Arbeit an meinen Theaterstücken mit einer delikaten Sache beschäftige und ständig versuche, tief ranzugehen, um in die Substanz der Geschehnisse einzudringen. Sowohl „Das Pulverfass“ als auch „Die andere Seite“, aber auch mein neuester Text „Leere Stadt“ (ein sehr interessanter Text über zwei Brüder, die im Kontext eines dummen Krieges gefangen sind) beschäftigen sich direkt oder indirekt mit dem Krieg. In diesem neuesten Text ist der Begriff des Krieges ganz allgemein zu verstehen, es ist egal, wo er herrscht, denn jeder Krieg ist auch ein Brudermord. Das Theater beschäftigt sich mit Krisensituationen, das Drama ist ein Medium, das Konflikte braucht, auch Shakespeare schreibt über Kriege. Ich will nicht sagen, dass sich das Theater hauptsächlich mit Kriegen beschäftigen sollte... Aber der Balkan mit oder ohne Krieg ist selbstverständlich eine große Inspiration für mich. Und was sonst sollte mich inspirieren? Ich weiß nicht, wie die Engländer ihren Tee nachmittags um fünf Uhr zu sich nehmen, ich weiß aber, wie die Dinge bei uns ablaufen. Andererseits verbringe ich die Hälfte meiner Zeit im Ausland. Ich hatte das Glück, Familie in Paris und in Montreal zu haben, so dass ich viel gereist bin, und ich muss sagen, ich fühle mich überall wohl. Mir ist ein Phänomen in Zusammenhang mit der Veränderung aufgefallen. Jedes Mal, wenn ich von irgendwoher zurückkomme, merke ich, dass die Dinge nicht mehr dieselben sind. Das hat mit eben jener Tatsache zu tun: Man hat und hat plötzlich nichts mehr. Aus einem schönen Leben gerieten wir in eine drastische Katastrophe, ich lasse jetzt die Details beiseite. Vielleicht vollzieht sich auf dem Balkan alles so drastisch wegen des Temperaments, der Mentalität, des heftigen und leidenschaftlichen Durchlebens der Geschehnisse, aber das, was mich jedes Mal am tiefsten berührt hat, war der Verlust der ästhetischen Bedürfnisse und Kriterien. Wahrscheinlich gehört das alles zusammen in ein Gesamtpaket: vom Geldmangel über die Isolation und die Visapflicht bis eben hin zum Verlust dieser Kriterien. Ich beobachte eine merkwürdige Mode. Ich kann mich noch erinnern, dass es in unseren Städten immer Menschen gab, die genauso aussahen und genauso dachten wie die Menschen in London, Berlin, Paris und New York auch. Und jetzt werden diese Menschen immer seltener und immer öfter erscheinen irgendwelche „Lokalen“, eine lokale Macht. Aber diese Entwicklung vollzieht sich bereits seit einigen Jahren, das geschah nicht von heute auf morgen. Nehmen wir einfach mal die Tatsache, wie viele Menschen in den letzten fünfzehn, zwanzig Jahren aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens ausgewandert sind. Das ist die Intelligenz, die Elite...
SlovoKult: Das ist tatsächlich eine drastische Veränderung, die sich auf dem Balkan vollzogen hat...
Dukovski: Ja, wie Koja von „Disciplina Kičme“ in einem Lied singt:
Keiner macht was, weil keiner was versteht,
diejenigen, die es sollten, sind beschämt verschwunden.
Das ist der Rock ’n‘ Roll der mich formte, und er ist nicht mehr der gleiche wie der von heute. Ich erinnere mich, eine Ausgabe des „Rolling Stone“ in den achtziger Jahren berichtete über den Rock ’n‘ Roll in Europa und schrieb, dass Großbritannien zwar die Nummer eins sei, aber es sich diesen Platz mit Jugoslawien zu teilen habe. Schallplatten zu finden, Konzerttickets zu besorgen, das waren Ereignisse. Ich glaube, dass es in der Musik keine Möglichkeit mehr gibt, dass sich mächtige Musikrichtungen entwickeln können, wie es der Punk damals war. Der Punk, das war nicht nur Musik, sondern auch eine Ideologie. Ich glaube, heute ist das Fernsehen am stärksten, überall.
SlovoKult: Das sind die kulturellen Veränderungen auf dem Balkan, aber er versucht auch, sich auch wirtschaftlich und politisch der EU anzupassen.
Dukovski: Ja, wir rauchen nicht mehr in den Kneipen. Jetzt habe ich gehört, dass man nur noch bis 18 Uhr Alkohol kaufen kann.
SlovoKult: Das ist noch rigoroser als in der EU.
Dukovski: (lacht) Ja, die Kids strömen dann um zehn vor sechs mit vollen Einkaufstüten aus den Märkten heraus... Ich denke, es ist wichtiger, sich mit bedeutenden Änderungen zu befassen. Es ist wichtig, dass man bei bedeutenden Fragen für Kompatibilität sorgt, da kenne ich mich nicht aus, beispielsweise ein Gesetz über Datenvernetzung bei Computern, aber die Kneipen um Punkt 23 Uhr dicht zu machen, das hat rein gar nichts mit der Mentalität und mit den Gewohnheiten zu tun. Meiner Meinung nach hat man in Makedonien dieses Gesetz einfach zu streng gemacht, was eben absolut sinnlos ist. Denn die Leute dort leben einfach so, besonders im Sommer, wenn man damit kämpft, die Hitze am Tag zu überleben, und dann möchte man abends selbstverständlich abkühlen und entspannen, und was macht man da? Letztendlich sorgen solche Sachen einfach nur für Verwirrung in den Medien, aber ich sehe nicht, dass es sinnvolle Veränderungen gibt.
SlovoKult: Lass uns auf dich zurückkommen. „Das Pulverfass“ ist dein meistgespieltes Theaterstück. Stellt dieser Text die anderen Texte in den Schatten, und wie fühlst du dich bei diesem Gedanken?
Dukovski: Das „Pulverfass“ ist mein meistgespielter Text, aber auch „Wer verdammt, hat angefangen“ wird häufig gespielt, nicht so oft wie „Das Pulverfass“, aber immerhin recht oft. Denn bei diesem Text handelt es sich um einen eher spezifischen, rätselhaften Text. „Das Pulverfass“ hat eine stärkere Wirkung, geht sofort ab, während „Wer verdammt“ stärker sprachlich orientiert ist, viele Wortspiele hat, was es schwer übersetzbar macht, aber dennoch wird es viel gespielt, was mich sehr freut. Momentan laufen die Vorbereitungen für die Inszenierung am Nationaltheater in Lille, die für den Sommer 2009 geplant ist. „Der Balkan ist nicht tot“ hat man ebenfalls gespielt, aber dieser Text ist schwer zu inszenieren, er braucht viele Schauspieler, hat eine historische Handlung. In Paris war Mitte März die Premiere. „Die andere Seite“ ist ebenfalls ein komplexer Text, aber dennoch wird er gespielt, bisher gibt es etwa 15 Inszenierungen davon, unter anderem auch am Burgtheater. Sowohl „Die andere Seite“ als auch mein neuestes Theaterstück „Leere Stadt“ habe ich als Auftragsarbeiten für ein Theater in Dänemark geschrieben. Von „Leere Stadt“ hat es bereits drei Inszenierungen gegeben und es ist auf einiges Interesse gestoßen, weshalb ich hoffe, dass es viel gespielt werden wird. Denn es handelt sich um einen sehr interessanten Text für zwei Schauspieler, was ihn leicht inszenierbar macht. An den Theatern im Westen ist es ein großes Problem, wenn ein Stück viele Schauspieler braucht, da das sehr teuer ist. Das habe ich begriffen, sodass ich jetzt beim Schreiben auch daran denke, ein Konzept zu haben, das realisierbar ist, auf eine kapitalistische Art und Weise (lacht).
SlovoKult: Du hast in Hamburg und in Paris gelebt und jetzt auch in Berlin. Wie waren deine Erfahrungen mit den dortigen Theatern? Was tat sich in dieser Beziehung für dich?

Dukovski: In Hamburg war ich aus sehr persönlichen Gründen, weil ich mich verliebt hatte. Aber ich hatte auch das Glück, Writer in Residence am Schauspielhaus Hamburg zu sein. Obwohl das Musical „Dracula“, das ich dort geschrieben habe, seine Premiere in Maribor erlebte, war es dennoch eine phantastische Erfahrung, dort sein zu dürfen und viele Menschen kennen zu lernen. In Paris war ich dank eines Stipendiums, und während meines Aufenthalts dort hatten der Botschafter der Republik Makedonien in Frankreich, Jon Ivanovski, der ein guter Freund von mir ist und den ich sehr schätze, und ich die Idee, ein makedonisches Kulturzentrum zu gründen. Aus uns unbekannten Gründen wurde diese Idee nicht verwirklicht. In Paris sind zwei Bücher mit meinen Theaterstücken in französischer Übersetzung erschienen, herausgegeben von Dominique Dolmieu und meiner Agentur L’arche. Es gab eine Präsentation und Lesungen, ich hielt einige Workshops, und wie ich bereits erwähnt habe, werden einige Theaterstücke demnächst inszeniert, auch „Der Balkan ist nicht tot“ wird in einer Low-Budget-Produktion realisiert. In Berlin war ich schon wiederholt, eine Weile habe ich hier sogar gelebt; ich liebe Berlin, es ist eine wunderschöne Stadt. Was meine weiteren Pläne anbetrifft, „Das Pulverfass“ hat man hier bereits gespielt, und es wird erneut am Deutschen Theater oder bei den Berliner Festspielen aufgeführt werden. Außerdem gibt es für mein neues Stück „Leere Stadt“ die Idee, die zwei handelnden Figuren mit Samuel Finzi und Wolfram Koch zu besetzen, was meiner Meinung nach eine wunderbare Idee ist, die mich glücklich stimmt und an die ich glaube. Denn wir hatten bereits eine szenische Lesung in Frankfurt, die sehr gut verlaufen ist und sehr gute Kritiken bekommen hat. Ein anderes Projekt wäre, für den jungen deutschen Regisseur Nikolai Ebert ein Filmszenario zu verfassen. Ich möchte gerne zusammen mit Samuel Finzi, der alle meine Theaterstücke übersetzt hat, eine Neuübersetzung des Textes „Wer verdammt, hat angefangen“ machen und evtl. eine Übersetzung von „Siljan der Storch“, einem Text für Kinder. Das sind in etwa meine Pläne. Momentan schreibe ich an einem neuen Text für Kopenhagen, für Simon Boberg am Husets Theater. Neu an diesem Text ist, dass die Hauptfigur eine Frau ist. Ein weiteres Projekt für Dänemark ist ein Kurzszenario.
SlovoKult: Und wo bleibt Skopje bei all dem? Früher warst du doch Dozent an der Hochschule für Theater und Film? Deine Theaterstücke wurden früher gewöhnlich in Skopje uraufgeführt?
Dukovski: Ich unterrichte nicht mehr, denn zuerst hat man mich rausgeschmissen, und danach wollte man mich nicht bezahlen (lacht), sodass ich nicht mehr dort unterrichte. Aber das war dennoch ein sehr schöner Lebensabschnitt. Und in Skopje bin ich selbstverständlich oft und gerne. Wegen meiner Familie, wegen Laika*, aber auch wegen des Theaters, obwohl die mich ebenfalls nicht bezahlen. Auch mein neuer Text wurde dort inszeniert, die Uraufführung war jedoch in Kopenhagen. Aber ansonsten hast du recht, fast alle Uraufführungen fanden in Skopje statt. Auch „Die andere Seite“ wurde von Unkovski inszeniert, eine sehr gute Aufführung, aber sie war nur kurze Zeit im Repertoire, und ich weiß nicht, warum. Vermutlich war es kompliziert, weil es eine Koproduktion von MNT (Makedonisches Nationaltheater) und dem Dramski Theater war.
SlovoKult: Wie dem auch sei, du hast es geschafft, dich als junger Autor sowohl in Makedonien, als auch auf dem Balkan und im Ausland zu behaupten, was viele andere interessante und anspruchsvolle Autoren nicht schaffen.
Dukovski: Dieses „jung“ bringt mich zum Grübeln (lacht). Es ist sehr schwierig, vom Schreiben zu leben. Es ist sehr sehr mühsam, aber dennoch, ich kann davon leben. Nur wenige Theaterautoren in Europa können das von sich sagen, weshalb ich mich zu den Glücklichen zählen kann. Ich wiederhole, es ist sehr mühsam, aber dennoch habe ich Erfolg damit.
SlovoKult: Gibt es etwas, was ich nicht gefragt habe, was du aber noch erzählen wolltest?
Dukovski: Ich möchte nochmals auf diese „andere Seite“ zurückkommen, auf „die Anderen“, die es überall gibt. Zum Beispiel sind auf dem Balkan die Albaner die Anderen. Aber auch hier gibt es „die Anderen“, denn daran denke ich, wenn ich die hiesige simplifizierte Meinung über den Balkan mitbekomme, die so falsch und so gefährlich ist. Ich selbst zwar nicht, aber viele Makedonier haben Angst vor den Albanern, empfinden Hass, und das ist die Realität, die zu der genannten Kette der Gewalt und zum Krieg führt. Auch das Problem mit Griechenland, all das erzeugt nur dumme Gedanken. Was mir nicht gefällt, ist auch diese andere Seite hier: WIR und SIE. Mir sind sowohl WIR als auch SIE so was von egal. Ich kann einzig an den Menschen als Menschen denken. Das ist der einzige Stereotyp und das einzige Klischee, das alles in einen Rahmen zu zwängen versucht, um sich abzugrenzen: WIR und SIE.
SlovoKult: Dejan, herzlichen Dank für das Gespräch.
*eine tolle Kneipe in Skopje
Aus dem Makedonischen von Elizabeta Lindner
Lektorat:Petra huber
Photos: Dejan Dukovski (privat)


Dukovski: Ich verehre den Balkan mit allen seinen positiven und negativen Seiten, woraus auch die Tatsache resultierte, dass ich mich durch die Arbeit an meinen Theaterstücken mit einer delikaten Sache beschäftige und ständig versuche, tief ranzugehen, um in die Substanz der Geschehnisse einzudringen. Sowohl „Das Pulverfass“ als auch „Die andere Seite“, aber auch mein neuester Text „Leere Stadt“ (ein sehr interessanter Text über zwei Brüder, die im Kontext eines dummen Krieges gefangen sind) beschäftigen sich direkt oder indirekt mit dem Krieg. In diesem neuesten Text ist der Begriff des Krieges ganz allgemein zu verstehen, es ist egal, wo er herrscht, denn jeder Krieg ist auch ein Brudermord. Das Theater beschäftigt sich mit Krisensituationen, das Drama ist ein Medium, das Konflikte braucht, auch Shakespeare schreibt über Kriege. Ich will nicht sagen, dass sich das Theater hauptsächlich mit Kriegen beschäftigen sollte... Aber der Balkan mit oder ohne Krieg ist selbstverständlich eine große Inspiration für mich. Und was sonst sollte mich inspirieren? Ich weiß nicht, wie die Engländer ihren Tee nachmittags um fünf Uhr zu sich nehmen, ich weiß aber, wie die Dinge bei uns ablaufen. Andererseits verbringe ich die Hälfte meiner Zeit im Ausland. Ich hatte das Glück, Familie in Paris und in Montreal zu haben, so dass ich viel gereist bin, und ich muss sagen, ich fühle mich überall wohl. Mir ist ein Phänomen in Zusammenhang mit der Veränderung aufgefallen. Jedes Mal, wenn ich von irgendwoher zurückkomme, merke ich, dass die Dinge nicht mehr dieselben sind. Das hat mit eben jener Tatsache zu tun: Man hat und hat plötzlich nichts mehr. Aus einem schönen Leben gerieten wir in eine drastische Katastrophe, ich lasse jetzt die Details beiseite. Vielleicht vollzieht sich auf dem Balkan alles so drastisch wegen des Temperaments, der Mentalität, des heftigen und leidenschaftlichen Durchlebens der Geschehnisse, aber das, was mich jedes Mal am tiefsten berührt hat, war der Verlust der ästhetischen Bedürfnisse und Kriterien. Wahrscheinlich gehört das alles zusammen in ein Gesamtpaket: vom Geldmangel über die Isolation und die Visapflicht bis eben hin zum Verlust dieser Kriterien. Ich beobachte eine merkwürdige Mode. Ich kann mich noch erinnern, dass es in unseren Städten immer Menschen gab, die genauso aussahen und genauso dachten wie die Menschen in London, Berlin, Paris und New York auch. Und jetzt werden diese Menschen immer seltener und immer öfter erscheinen irgendwelche „Lokalen“, eine lokale Macht. Aber diese Entwicklung vollzieht sich bereits seit einigen Jahren, das geschah nicht von heute auf morgen. Nehmen wir einfach mal die Tatsache, wie viele Menschen in den letzten fünfzehn, zwanzig Jahren aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens ausgewandert sind. Das ist die Intelligenz, die Elite...
SlovoKult: Das ist tatsächlich eine drastische Veränderung, die sich auf dem Balkan vollzogen hat...
Dukovski: Ja, wie Koja von „Disciplina Kičme“ in einem Lied singt:
Keiner macht was, weil keiner was versteht,
diejenigen, die es sollten, sind beschämt verschwunden.
Das ist der Rock ’n‘ Roll der mich formte, und er ist nicht mehr der gleiche wie der von heute. Ich erinnere mich, eine Ausgabe des „Rolling Stone“ in den achtziger Jahren berichtete über den Rock ’n‘ Roll in Europa und schrieb, dass Großbritannien zwar die Nummer eins sei, aber es sich diesen Platz mit Jugoslawien zu teilen habe. Schallplatten zu finden, Konzerttickets zu besorgen, das waren Ereignisse. Ich glaube, dass es in der Musik keine Möglichkeit mehr gibt, dass sich mächtige Musikrichtungen entwickeln können, wie es der Punk damals war. Der Punk, das war nicht nur Musik, sondern auch eine Ideologie. Ich glaube, heute ist das Fernsehen am stärksten, überall.
SlovoKult: Das sind die kulturellen Veränderungen auf dem Balkan, aber er versucht auch, sich auch wirtschaftlich und politisch der EU anzupassen.
Dukovski: Ja, wir rauchen nicht mehr in den Kneipen. Jetzt habe ich gehört, dass man nur noch bis 18 Uhr Alkohol kaufen kann.
SlovoKult: Das ist noch rigoroser als in der EU.
Dukovski: (lacht) Ja, die Kids strömen dann um zehn vor sechs mit vollen Einkaufstüten aus den Märkten heraus... Ich denke, es ist wichtiger, sich mit bedeutenden Änderungen zu befassen. Es ist wichtig, dass man bei bedeutenden Fragen für Kompatibilität sorgt, da kenne ich mich nicht aus, beispielsweise ein Gesetz über Datenvernetzung bei Computern, aber die Kneipen um Punkt 23 Uhr dicht zu machen, das hat rein gar nichts mit der Mentalität und mit den Gewohnheiten zu tun. Meiner Meinung nach hat man in Makedonien dieses Gesetz einfach zu streng gemacht, was eben absolut sinnlos ist. Denn die Leute dort leben einfach so, besonders im Sommer, wenn man damit kämpft, die Hitze am Tag zu überleben, und dann möchte man abends selbstverständlich abkühlen und entspannen, und was macht man da? Letztendlich sorgen solche Sachen einfach nur für Verwirrung in den Medien, aber ich sehe nicht, dass es sinnvolle Veränderungen gibt.
SlovoKult: Lass uns auf dich zurückkommen. „Das Pulverfass“ ist dein meistgespieltes Theaterstück. Stellt dieser Text die anderen Texte in den Schatten, und wie fühlst du dich bei diesem Gedanken?
Dukovski: Das „Pulverfass“ ist mein meistgespielter Text, aber auch „Wer verdammt, hat angefangen“ wird häufig gespielt, nicht so oft wie „Das Pulverfass“, aber immerhin recht oft. Denn bei diesem Text handelt es sich um einen eher spezifischen, rätselhaften Text. „Das Pulverfass“ hat eine stärkere Wirkung, geht sofort ab, während „Wer verdammt“ stärker sprachlich orientiert ist, viele Wortspiele hat, was es schwer übersetzbar macht, aber dennoch wird es viel gespielt, was mich sehr freut. Momentan laufen die Vorbereitungen für die Inszenierung am Nationaltheater in Lille, die für den Sommer 2009 geplant ist. „Der Balkan ist nicht tot“ hat man ebenfalls gespielt, aber dieser Text ist schwer zu inszenieren, er braucht viele Schauspieler, hat eine historische Handlung. In Paris war Mitte März die Premiere. „Die andere Seite“ ist ebenfalls ein komplexer Text, aber dennoch wird er gespielt, bisher gibt es etwa 15 Inszenierungen davon, unter anderem auch am Burgtheater. Sowohl „Die andere Seite“ als auch mein neuestes Theaterstück „Leere Stadt“ habe ich als Auftragsarbeiten für ein Theater in Dänemark geschrieben. Von „Leere Stadt“ hat es bereits drei Inszenierungen gegeben und es ist auf einiges Interesse gestoßen, weshalb ich hoffe, dass es viel gespielt werden wird. Denn es handelt sich um einen sehr interessanten Text für zwei Schauspieler, was ihn leicht inszenierbar macht. An den Theatern im Westen ist es ein großes Problem, wenn ein Stück viele Schauspieler braucht, da das sehr teuer ist. Das habe ich begriffen, sodass ich jetzt beim Schreiben auch daran denke, ein Konzept zu haben, das realisierbar ist, auf eine kapitalistische Art und Weise (lacht).
SlovoKult: Du hast in Hamburg und in Paris gelebt und jetzt auch in Berlin. Wie waren deine Erfahrungen mit den dortigen Theatern? Was tat sich in dieser Beziehung für dich?

Dukovski: In Hamburg war ich aus sehr persönlichen Gründen, weil ich mich verliebt hatte. Aber ich hatte auch das Glück, Writer in Residence am Schauspielhaus Hamburg zu sein. Obwohl das Musical „Dracula“, das ich dort geschrieben habe, seine Premiere in Maribor erlebte, war es dennoch eine phantastische Erfahrung, dort sein zu dürfen und viele Menschen kennen zu lernen. In Paris war ich dank eines Stipendiums, und während meines Aufenthalts dort hatten der Botschafter der Republik Makedonien in Frankreich, Jon Ivanovski, der ein guter Freund von mir ist und den ich sehr schätze, und ich die Idee, ein makedonisches Kulturzentrum zu gründen. Aus uns unbekannten Gründen wurde diese Idee nicht verwirklicht. In Paris sind zwei Bücher mit meinen Theaterstücken in französischer Übersetzung erschienen, herausgegeben von Dominique Dolmieu und meiner Agentur L’arche. Es gab eine Präsentation und Lesungen, ich hielt einige Workshops, und wie ich bereits erwähnt habe, werden einige Theaterstücke demnächst inszeniert, auch „Der Balkan ist nicht tot“ wird in einer Low-Budget-Produktion realisiert. In Berlin war ich schon wiederholt, eine Weile habe ich hier sogar gelebt; ich liebe Berlin, es ist eine wunderschöne Stadt. Was meine weiteren Pläne anbetrifft, „Das Pulverfass“ hat man hier bereits gespielt, und es wird erneut am Deutschen Theater oder bei den Berliner Festspielen aufgeführt werden. Außerdem gibt es für mein neues Stück „Leere Stadt“ die Idee, die zwei handelnden Figuren mit Samuel Finzi und Wolfram Koch zu besetzen, was meiner Meinung nach eine wunderbare Idee ist, die mich glücklich stimmt und an die ich glaube. Denn wir hatten bereits eine szenische Lesung in Frankfurt, die sehr gut verlaufen ist und sehr gute Kritiken bekommen hat. Ein anderes Projekt wäre, für den jungen deutschen Regisseur Nikolai Ebert ein Filmszenario zu verfassen. Ich möchte gerne zusammen mit Samuel Finzi, der alle meine Theaterstücke übersetzt hat, eine Neuübersetzung des Textes „Wer verdammt, hat angefangen“ machen und evtl. eine Übersetzung von „Siljan der Storch“, einem Text für Kinder. Das sind in etwa meine Pläne. Momentan schreibe ich an einem neuen Text für Kopenhagen, für Simon Boberg am Husets Theater. Neu an diesem Text ist, dass die Hauptfigur eine Frau ist. Ein weiteres Projekt für Dänemark ist ein Kurzszenario.
SlovoKult: Und wo bleibt Skopje bei all dem? Früher warst du doch Dozent an der Hochschule für Theater und Film? Deine Theaterstücke wurden früher gewöhnlich in Skopje uraufgeführt?
Dukovski: Ich unterrichte nicht mehr, denn zuerst hat man mich rausgeschmissen, und danach wollte man mich nicht bezahlen (lacht), sodass ich nicht mehr dort unterrichte. Aber das war dennoch ein sehr schöner Lebensabschnitt. Und in Skopje bin ich selbstverständlich oft und gerne. Wegen meiner Familie, wegen Laika*, aber auch wegen des Theaters, obwohl die mich ebenfalls nicht bezahlen. Auch mein neuer Text wurde dort inszeniert, die Uraufführung war jedoch in Kopenhagen. Aber ansonsten hast du recht, fast alle Uraufführungen fanden in Skopje statt. Auch „Die andere Seite“ wurde von Unkovski inszeniert, eine sehr gute Aufführung, aber sie war nur kurze Zeit im Repertoire, und ich weiß nicht, warum. Vermutlich war es kompliziert, weil es eine Koproduktion von MNT (Makedonisches Nationaltheater) und dem Dramski Theater war.
SlovoKult: Wie dem auch sei, du hast es geschafft, dich als junger Autor sowohl in Makedonien, als auch auf dem Balkan und im Ausland zu behaupten, was viele andere interessante und anspruchsvolle Autoren nicht schaffen.
Dukovski: Dieses „jung“ bringt mich zum Grübeln (lacht). Es ist sehr schwierig, vom Schreiben zu leben. Es ist sehr sehr mühsam, aber dennoch, ich kann davon leben. Nur wenige Theaterautoren in Europa können das von sich sagen, weshalb ich mich zu den Glücklichen zählen kann. Ich wiederhole, es ist sehr mühsam, aber dennoch habe ich Erfolg damit.
SlovoKult: Gibt es etwas, was ich nicht gefragt habe, was du aber noch erzählen wolltest?
Dukovski: Ich möchte nochmals auf diese „andere Seite“ zurückkommen, auf „die Anderen“, die es überall gibt. Zum Beispiel sind auf dem Balkan die Albaner die Anderen. Aber auch hier gibt es „die Anderen“, denn daran denke ich, wenn ich die hiesige simplifizierte Meinung über den Balkan mitbekomme, die so falsch und so gefährlich ist. Ich selbst zwar nicht, aber viele Makedonier haben Angst vor den Albanern, empfinden Hass, und das ist die Realität, die zu der genannten Kette der Gewalt und zum Krieg führt. Auch das Problem mit Griechenland, all das erzeugt nur dumme Gedanken. Was mir nicht gefällt, ist auch diese andere Seite hier: WIR und SIE. Mir sind sowohl WIR als auch SIE so was von egal. Ich kann einzig an den Menschen als Menschen denken. Das ist der einzige Stereotyp und das einzige Klischee, das alles in einen Rahmen zu zwängen versucht, um sich abzugrenzen: WIR und SIE.
SlovoKult: Dejan, herzlichen Dank für das Gespräch.
*eine tolle Kneipe in Skopje
Aus dem Makedonischen von Elizabeta Lindner
Lektorat:Petra huber
Photos: Dejan Dukovski (privat)